Two Wheels Move the Soul
Kleine Flucht Zweirad
Andreas Beaugrand
„Sorgen hat man natürlich immer. Kummer und Unglück wird es geben, solange es Menschen gibt, aber jetzt ist ein Gefühl da, das vorher nicht da war, und es ist auch nicht nur an der Oberfläche der Dinge, sondern dringt bis auf den Grund: Wir sind über den Berg. Von nun wird alles besser. So etwas spürt man irgendwie.“(1) (Robert M. Pirsig)
Jubilate! Jubiläum!
„Jubiläen helfen dabei, unsere Erinnerung zu stärken“, schrieb die Psychologin Julia Shaw in ihrem Essay Zurück in die Zukunft. Jubiläen, Meilensteine und die kreative Gabe unserer Erinnerung im 25. S-Magazin, das im April 2025 erschienen ist. Schon die Bestandteile des Essaytitels führten in meiner Vorstellung zu einem Kaleidoskop von Assoziationen, angefangen mit Marty McFlys inzwischen 40 Jahre alten Jugendprotesten und Dr. Emmett L. Browns zukunftsweisendem DeLorean DMC-12 in Back to the Future (1985), über Erinnerungen an frühere katholische Erziehungsstrategien, die Schulabschlusszeit mit anschließendem Zivildienst und den Studiumsbeginn bis hin zu allseits befürchteten Computercrashs zur Jahrtausendwende oder zu 9/11, dem islamistischen Terroranschlag auf das World Trade Center in New York, den Georgia, Friederike und ich in den Bergen des Cliento bzw. im italienischen Fernsehen miterlebt haben und der deshalb für uns italienisch klingt. „Wenn Menschen über Ereignisse sprechen, die ihr Leben geprägt haben oder immer noch prägen“, so schreibt Julia Shaw weiter, „zählen sie schnell ein paar solcher Meilensteine auf, Klassiker wie Hochzeiten, Geburten der Kinder oder eigene runde Geburtstage, aber auch Begegnungen mit Menschen, Auslandsaufenthalte, manchmal auch nur einen Satz, der für sie zum Leitmotiv geworden ist.“
Ungünstigerweise kann man sich aber auch an negative oder traurige Ereignisse erinnern, die langanhaltend wirken und deren Aufarbeitung sicherlich sinnvoll, aber oftmals auch sehr schwer und belastend ist. Für mich war das in den Jahren 2023/2024 die intensive Erinnerung an den Tod meines jüngsten Bruders Sebastian (7.3.1966–19.8.2013) und meine Begleitung des Sterbens und des Todes meines zweiten Bruders Stefan (29.6.1964–31.12.2023). Auf der Suche nach biografischen Hintergründen geriet ich immer mehr ins dunkle Grübeln, bis mir im Herbst 2024 blitzlichtartig die Idee zu diesem Kunstbuchprojekt kam. Mir war mit einem Mal klargeworden, dass es nicht ein Ereignis oder ein Satz gewesen ist, sondern das motorisierte Zweirad, das mir leitmotivisch nahezu immer schon den Weg aus dunklen Gedanken zur Freude und Freiheit ermöglicht hat.
Genau das ist es, was ich in diesem Buch beschreibe: Geschichten von den ersten Mofa- bis zu den heutigen nahezu alltäglichen Motorradfahrten, bereichert, auf großartige Weise illustriert und ins Bild gesetzt durch kreative Interpretationen zahlreicher künstlerisch tätiger Freundinnen und Freunde. Ist das nicht großartig? Ich kann es selbst immer noch nicht richtig glauben, aber es bleibt dabei: Two wheels move the soul!
Und was bleibt zum Jubiläum des 65. Geburtstags? Ein großes Dankeschön, ein riesiger Applaus und mindestens eine Ein-Mann-La-Ola-Welle für alle, die an diesem Projekt mitgewirkt, es unterstützt und damit geholfen haben, dass es Wirklichkeit geworden ist. Ja, das kann man machen!
Als Teenager in den 1970er-Jahren im westfälischen Hamm aufzuwachsen, ist eine Herausforderung, deren wahres Ausmaß erst mit der Zeit deutlich wird. 1975 erreichte die kleine Großstadt oder große Kleinstadt nach mehreren Gebietsreformen ihre bis heute bestehende Ausdehnung und mit über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern den Status einer Großstadt zwischen Münsterland und Ruhrgebiet, was aber mental, psychologisch und atmosphärisch keine Auswirkungen hatte und hat.
Als Teenager in dieser Zeit in einer äußerlich wohlgeordneten Eigenheimsiedlung aus den 1960er-Jahren mit zwei jüngeren Brüdern aufzuwachsen, erinnert an Spießrutenläufe in einem Käfig bunter Vögel im Hammer Osten – in der Bussard- und Condorstraße, im Eichelhäher- und Rabenweg sowie nicht zuletzt in der Sperberstraße mit der verheißungsvollen Hausnummer 13 –, kontrolliert durch argwöhnische Nachbarn, Evangelisches am Alten Uentroper Weg und Katholisches am Sankt-Georgs-Platz. Fast nebenan die Briten in ihrem Marker Depot der Cromwell Baracks(2) – „Andi, mach die Fenster zu und hol die Wäsche rein, die Engländer verbrennen Reifen!“ – und darüber hinaus die Newcastle Barracks, von der British Army of the Rhine genutzte ehemalige Mannschaftsgebäude der Wehrmacht aus den 1930er-Jahren an der Ludwig-Teleky-Straße bzw. am Alten Uentroper Weg, das Westfälische Institut für Jugendpsychiatrie(3) hinter Mauern und Zäunen an der benachbarten Heithofer Allee 64, gegenüber die (ehedem katholische) Ketteler-Grundschule(4) und die (früher evangelische) Ludwig-Teleky-Hauptschule(5) in der Marker Dorfstraße 8 – und von hier aus, aus dem Hammer Stadtteil Mark, seit 1970 mit den Buslinien 1 oder 3, mit dem Fahrrad, später mit einem motorisierten Zweirad oder einem elterlichen Auto ins Freiherr-vom-Stein-Gymnasium an der Marker Allee, geschlagene zehn Jahre lang: Sexta, Quinta, Quarta, Untertertita, Untertertia (!), Obertertia, Untersekunda, Obersekunda, Unterprima, Oberprima: 1980 endlich Abitur.
Als Teenager in diesen Jahren aufzuwachsen, bedeutete auch in den Bereichen Medizin (Haus- und Zahnarzt), Schule (Sportlehrer), Soziales (Sozialverbandsmitarbeitende) und in der Verwandtschaft auf alte Nazis zu treffen, die liebgewonnene Gewohnheiten wie Bohren ohne Betäubung, ärztliche Behandlungen in Anwesenheit ihrer Jagdhunde, das euphorische Feiern der Olympiade von 1936, das stolze Vorführen der SS-Nummer unterm rechten Arm bei bierseligen Geburtstags- oder Bestattungsfeiern und ‚Lass-doch-die-Vergangenheit-ruh’n‘-Litaneien nicht verlieren wollten oder konnten.
Die kleinen Fluchten zwischen elterlichen Katholizismen und psychischen Macken, verdrängten Vergangenheiten und vorgetäuschter Harmonie(6) wurden motorisierte Zweiräder, Träume von Freiheit, selbstverständlich ohne Helm, der erst seit 1985 Pflicht ist, je nach Wetter mit und ohne Pudelmütze – in der Anfangszeit leider zunächst nur leihweise auf denen von Freunden und Klassenkameraden.
Solex, Zündapp, Hercules
Der erste Traum, angeboten von weitgehend unbekannt gebliebenen Nachbarn, die an der Ecke Condor-/Sperberstraße wohnten: eine Solex 6000 für 300 D-Mark. Kauf verboten. Aus heutiger Sicht ist dies umso tragischer zu bewerten, als es sich bei der Solex 6000 um das Mofa Solex Flash des französischen Vergaserherstellers Solex handelte, das 1969 erstmals in Deutschland angeboten wurde. Es war damals eine avantgardistische Konstruktion mit in den Stahlblechrahmen integriertem Motor, Antriebswelle, einer Teleskopgabel vorne und – als weltweit einziges Mofa – einer Scheibenbremse am Hinterrad. Es wurde von 1972 bis 1977 als Solex 6000 verkauft: Ich hätte es haben können, aber ich hatte es nicht dürfen.
Einstweilen bretterte Klassenkamerad Bert Pinternagel mit seiner frisierten 0,4 PS starken Solex 3800 mit 60 Stundenkilometern – gut doppelt so schnell wie vorgesehen und erlaubt – durch den Hammer Osten. Bei dieser Solex sitzt der 49-Kubikzentimeter-Motor über dem Vorderrad und wird über eine klappbare Reibrolle angetrieben, was bei Regen problematisch sein kann. Und Engjeanspionier Bernd Brinkmann, etwas älter als der Klassendurchschnitt, präsentierte derweil auf einer nagelneuen Suzuki RV 90 mit breiten Rädern diese und seine neue Freundin.
Was blieb mir zunächst? Das Mofaausleihen – zunächst ‚einfach mal so‘ eine graue Zündapp Bergsteiger M25 mit 2-Gang-Lenkradschaltung, 1,5 PS und 49 Kubikzentimetern Hubraum für kurze Pausenrunden vom Fahrradhof rund um das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, dann aber regelmäßiger. Bis heute danke ich meinem damaligen Freund Klaus Rüter, um 1978 Pianist in der Schülerband Flair und zwischen 1985 und 1994 als Klaus ‚Magic‘ Rüter des Hammer Comic-Duos Till & Obel,(7) dass er mir seit Mitte der 1970er-Jahre fast regelmäßig seine goldmetallicfarbene Zündapp 442 Automatik zum wöchentlichen Zeitungsaustragen der nur relativ faszinierenden Fernsehzeitschrift Gong und des Liboriusblattes, der „Wochenzeitschrift für das katholische Haus“, auslieh, für die mein Vater als Chefredakteur fromme Texte erfand und darüber hinaus viel katholischen Dunst(8) verbreitete.
Zu danken habe ich auch meinem damaligen Klassenkameraden Michael ‚Mike‘ Künnecke, der mir zur gleichen Zeit seine gelbe Hercules Hobby Rider HR 1 mit Sachs-Motor und 3-Gang-Schaltung für Hin- und Rückfahrten zum Zeltcamp im Sommer oder für schnelle Nach-Hause-und-zur-Schule-zurück-Fahrten geliehen hat: 50 flotte Kubikzentimeter im sommerlichen Fahrtwind – unvergessen!
Von der mallorquinischen Vespa zur Vespa 50 N Special
Ein Schlüsselerlebnis für mich wurde dann ein vergleichsweise kurzer Beaugrand‘scher Mallorcaurlaub in Bañalbufar im Sommer 1975. Das kleine Bergdorf liegt nordwestlich von Palma de Mallorca zwischen Andratx und Valldemossa an einem der Berghänge des Tramuntanagebirges, umgeben von historischen Terrassen für den längst eingegangenen Weinanbau, auf denen Olivenbäume standen und kleine Feuer aus Olivenbaumholz einen romantischen Rauch verbreiteten – ein paradiesischer Ort, einsam, klein, mit drei kleinen Hotels. Eines davon war das damalige Hostal Sa Coma, heute das Hotel Sa Coma, in dem seinerzeit Mama und Papa Tomás den Betrieb führten, Tochter Tomás die Rezeption und alles andere erledigte und Sohn Juan Tomás kochte. Und eine Vespa hatte! Aus meiner heutigen Sicht war es möglicherweise eine 150-cm³-Vespa aus der Zeit um 1960, blaugrau, schon vergleichsweise alt, etwas rostig und verbeult, selbstverständlich Handschaltung, vier Gänge – so, wie es sein muss.(9)
Anfangs hat mich Juan zu Vespa-Fahrten mitgenommen, dann hat er mir das Vespa-Fahren beigebracht, ich vorne, er hinten sitzend – und dann hat er mir als 15-jährigem Jungspund die Maschine für alleinige Fahrten durchs mallorquinische Gebirge ausgeliehen, einfach so. Bis heute unglaublich! Wer jemals auf einer ungedrosselten Vespa im mediterranen Umfeld unterwegs gewesen ist, weiß, was ich meine: totaler Anzug, schnelle Fahrt, umwerfender Motorsound, astreine Straßenlage – von wegen: kleine Räder. Da war es um mich geschehen: Rollerzeit!
1976 hatte Freund und Klassenkamerad Andreas ‚George‘ Aldag seine Konfirmation gefeiert und wie alle Evangelen für damalige Verhältnisse ungeheures Geld abgezogen. Als Katholik kam man mit beleuchtbarem Globus, Zirkel und Kodak-Instamatic-Kamera eher bescheiden beschenkt aus der Erstkommunion und bei der Firmung gab es außer Stirnkohlekreuz, Kaffee und Kuchen gar nichts. Für von allen Seiten zusammengetragenes Konfirmationsgeld gönnte George sich eine schöne, blaue, gebrauchte Yamaha FS1G, damals schon ein Oldie, ein echtes Kleinkraftrad, mit dem er fröhlich pfeifend flott davonzufahren pflegte.
Was tun? Führerscheine machen! Seit dem 3. Januar 1977 habe ich die Fahrerlaubnis für die damaligen Klassen 4 und 5 und seit dem 5. Juni 1978 für die ehemalige Klasse 3, leider seinerzeit noch nicht die Klasse 1 für große Motorräder(10) – qua elterlicher Fürsorge verboten.
Aber immerhin wurde im Frühjahr 1977 endlich wahr, was ich mir lange gewünscht und erträumt hatte: Vom angesparten Zeitungsaustragegeld und vermutlich mit einem Zuschuss meiner Düsseldorfer Patentante Marianne kaufte ich mir in dem Jahr beim Vespa-Händler Niehues in Hamm-Heessen mein erstes eigenes, neues motorisiertes Zweirad: eine orangerote Vespa 50 Spezial mit sagenhaften 49,77 Kubikzentimetern, einer 4-Gang-Handschaltung, einer Leistung von überschaubaren 1,5 PS, mühevoll zu erreichender Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h – etwas schneller noch im LKW-Windschatten! – und dem tollen Vespa-typischen Motorsound.(11) Ich erinnere einen Preis von etwa 1.700 D-Mark: wirklich viel Geld für mich zur damaligen Zeit!
Aber alles toll. Und meins! Schulfreund Martin Bäckerling hat bei seiner ersten Probefahrt mit meiner Vespa – gegebenenfalls überhaupt mit einem Kleinkraftrad – auf die Höhen des Silberbergs im Hammer Kurpark sogleich die beiden links und rechts am Lenker angebrachten Blinker abgebrochen, weil er bei der Steigung nicht in der Lage war, in einen kleineren Gang herunterzuschalten. Folgen fahrtechnischer Schwächen ließen sich auch bei mir nicht ganz vermeiden: etwa ein kleiner Auffahrunfall an der Ampel oder gegen einen Bockum-Höveler Pflanzenkübel aus Beton – zwei verbeulte Kotflügel. Zu nah an einer Wand geparkt: Kratzer an der seitlichen Motorklappe – alles selbst beheb- und lackierbar, was sogar dazu führte, dass ich die beschädigte Motorklappe der baugleichen Vespa von Klassenkameradin Martina Schilling neu lackiert habe – warum eigentlich? Zusammen mit Martin war ich im Mai 1978 in der Premiere des Science-Fiction-Epos Krieg der Sterne, doch so schnell wie ein Sternenfalke war die Vespa dann nun doch nicht. Nach dem Film schien es, als kämen wir überhaupt nicht voran ...
Zusammen mit Bernd Brinkmann habe ich einige Zeit später in der heimischen Garage den Motor auseinandergenommen, um wegen beabsichtigter Geschwindigkeitserhöhung einen größeren Dell‘Orto-Vergaser(12) einzubauen. Bernd meinte, das sei die Lösung, er irrte: ein total gescheitertes Experiment mit einer kostspieligen Wiederinstandsetzung des Motors beim Vespa-Händler in Hamm-Heessen. Ist das Lehrgeld? Ja.
Die Vespa hat mich schließlich bis zum Abitur im Sommer 1980 durch Hamm und Umgebung begleitet, jeden Tag, morgens und abends, überallhin, bei Wind und Wetter. Manchmal sehr nass (etwa auf der Werler Straße zum Meisterfrisör Rammelmann nach Werl und zurück nach Hamm mit bis heute unvergessener Minipli-Frisur), sehr dunkel und sehr kalt – und alles nur mit Pudelmützenkopfschutz, aber auch mit warmer Jacke und Handschuhen. Die Vespa war immer dabei, grundsätzlich an den damals noch überall vorhandenen 1:50-Gemischzapfsäulen betankt: Viele fuhren mit, wir waren viel unterwegs, es hat Freude gemacht!
Das vorübergehende Ende der Zweiradzeit
Sommer 1980. Abitur. Zivildienst – in der Katholischen Akademie Schwerte oder im Heinrich-Lübke-Haus der KAB Westdeutschlands in Möhnesee-Günne? Das war die Frage. Es wurde Letzteres, doch wie kommt man dahin? Die Lösung kam, nachdem ich eigentlich gerne den etwa zehn Jahre alten VW Karmann-Ghia gehabt hätte, den die frühere Esso-Station an der Ostenallee im günstigen Angebot hatte, im Spätsommer 1980 als Citroën 2CV daher – mein erstes Auto: eine gebrauchte, damals möglicherweise fünf Jahre alte blaue Ente mit 24 PS, die ich erwerben konnte, weil ich meine Vespa meinem jüngeren Bruder Stefan schenken musste, mein Vater mir deshalb zum Entenkaufpreis (3.000 D-Mark?) einen Zuschuss gab und die 125-Prozent-Versicherungspauschale für das Auto überließ.
Ente gut, alles gut – und Vespa weg, im wahrsten Wortsinn, weil Stefan sie kurze Zeit später am Hammer Richard-Matthaei-Platz unverschuldet zu Schrott gefahren und sich sein lebenslanges und bis zu seinem Tod anhaltendes Aua-mein-Bein-Trauma zugezogen hat. Dumm gelaufen.
Unabhängig davon änderte sich damit bis auf Weiteres – schließlich 16 Jahre lang – mein privates Mobilitätsthema vom Zwei- zum Vierrad,(13) aber die Leidenschaft und das Interesse für all das, was mit motorisierten Zweirädern, Motorrollern und Motorrädern zu tun hat, blieben auch nach dem Vespa-Ende bestehen. Als am 25. Januar 1981 Rötger ‚Brösel‘ Feldmanns erster Wernerband Werner – oder was? erschien, blieb („schigger, schigger“) kein Auge trocken, obwohl ich den hier zelebrierten Hass gegen Rollerfahrer („Popper überfährt man mit ‘nem Chopper“) zwar auch irgendwie witzig, aber letztlich nicht so toll fand. Die Verwendung der Honda CX 500 als Güllepumpe ist und bleibt hingegen legendär.
Während verschiedener Urlaubsreisen geliehene Motorroller machten immer mal wieder Freude und gelegentlich Arbeit, etwa als 1989 in den Bergen der griechischen Insel Ikaria das Benzin ausging ...
Ebenso legendär, aber in jeder Hinsicht unerreichbar waren Motorräder wie die Harley Davidsons Billy Bike und Captain America aus dem US-amerikanischen Biker-Kultfilm Easy Rider mit Peter Fonda und Dennis Hopper aus dem Jahr 1969, aber insbesondere die „Revolution aus dem Windkanal“, die silbermetallicfarbene BMW R100RS aus dem Jahr 1976, oder – später – die von Arnold Schwarzenegger gefahrene Harley Davidson Fat Boy aus dem nach wie vor besten aller Science-Fiction-Filme, Terminator 2 – Tag der Abrechnung, von 1991.
Filme wie diese und die dazu passende Musik bedienten zudem lange Zeit die motorisierte Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer. Songs wie Born to Be Wild von Steppenwolf und On the Road Again von Canned Heat (beide 1968), Midnight Rider von den Allman Brothers (1970), Free Bird von Lynyrd Skynyrd (1973), Slow Ride von Foghat (1975), Motorcycle Man von Saxon (1979), Life Is A Highway von Tom Cochrane (1991) oder das für mich ganz besondere zweite Studioalbum Bat Out of Hell von Meat Loaf (1977) sind bis heute nicht nur im kollektiven Bewusstsein verankert, sondern auch in meiner Schallplattensammlung vorhanden.
Unabhängig davon und vermutlich aufgrund der Tatsache, dass Industrie und Politik es in den 1980er- und 1990er-Jahren versäumt hatten, neue junge Generationen für das motorisierte Zweirad zu interessieren, was zu sensationellen Umsatzeinbußen und damit verbundenen Betriebsschließungen führte, änderte man um 1995 dahingehende Regelungen. Seitdem gilt: „Wurde der Führerschein der Klasse 3 noch vor dem 1. April 1980 erteilt, dann dürfen außerdem Kleinkrafträder mit bis zu 125 m3 gefahren werden.“(14) Mal Glück gehabt: Mein Führerscheinjahr 1978 liegt davor und 1996 begannen die 125-Kubikzentimeter-Zeiten, für die zunächst ein schicker neuer Helm gekauft worden war!
Yamaha Beluga und Majesty
Der erste 125er wurde am 26. August 1996 ein damals drei Jahre alter dunkelgrüner Yamaha-Beluga-Roller mit dem Kennzeichen BI S 169, günstig erworben bei 2-Rad Schwede in Paderborn – ein Roller, der bis 1992 gebaut worden ist und elf PS aus einem Ein-Zylinder-Viertakt-Motor hervorbrachte. Der Klang dieses Motors war großartig, da ich bis dahin im Wesentlichen Zweitaktklänge gewohnt war, auch wenn ich den Klang der Vespa 50 N Spezial heute noch immer als sehr sympathisch empfinde. Mit dem Beluga ging es schwungvoll durch Bielefeld und Umgebung – sogar zusammen mit Georgia (!) bis zur Bonsaischule Enger. Hier erwarben wir als Geschenk für Georgias Mutter einen schon damals vergleichsweise großen Bonsai einer chinesischen Ulme, den wir auf dem Gepäckträger bis nach Oelde-Stromberg transportiert haben. Es war eine schöne Fahrt, selbst wenn es Georgias erste und zugleich letzte Fahrt mit einem motorisierten Zweirad gewesen ist, was wiederum schade, aber offenbar nicht zu ändern ist.
Dieser Roller war im Hinblick auf Farbe – Grün gehört nicht zu meinen favorisierten Farben –, Design(15) und leider auch Technik kein großer Erfolg, schlimmer noch: Mit ihm erlebte ich – was den Roller betrifft: bauartbedingt – meinen ersten echten Unfall. Im kalten Winter 1997/1998 startete ich den Roller, der mangels Garage draußen stehen musste, vor dem Haus Wertherstraße und da Kondenswasser im Gasbowdenzug, der vom Gasgriff rechts am Lenker hinunter zum Trittbrett und von dort zum Vergaser und Motor führte, wegen großer Kälte eingefroren war, raste der Roller nach dem Start mit Vollgas los. Die Gemischzufuhr und damit die Motordrehzahl konnten nicht reduziert werden, da sich Gasgriff und Bowdenzug nicht bewegen ließen, und ich stürzte schräg schlitternd über die Straße, auf der in diesem Augenblick zum Glück kein Auto fuhr; der folgende Verkehr bremste rechtzeitig. Es war für alle, Georgia und Friederike, die das an der Haustür mitansehen mussten, und mich, wirklich ein Schock, was ich dem verantwortlichen Unternehmen, der Yamaha Motor Europe N.V. und ihrer Niederlassung Deutschland, Geschäftsbereich Motorisierte Produkte, dann auch schriftlich mitgeteilt habe – in der Hoffnung auf Kulanz, eine Entschuldigung oder irgendeine andere nette Geste: leider vergebens. Der einzige Yamaha-Fachmann, der sich schließlich für mich eingesetzt hat und mir entgegengekommen ist, war Reinhard Hiller von seinem Zweiradgeschäft Yamaha Hiller im Industriepark Ravensberger Bleiche, genauer: in der Erpestraße in Bielefeld-Ummeln. „Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ hat er den schrottreifenYamaha Beluga am 19. März 1999 in Zahlung genommen und mir mit einem großzügigen Rabatt einen wirklich großartigen, dunkelblauen und nagelneuen Yamaha-Roller verkauft: den Yamaha YP 125 Majesty, auch als Skyliner bekannt: wieder mit 125 Kubikzentimeter, jetzt zwölf PS, in tollem Design und dem Kennzeichen BI BA 91.
Dieser Roller funktionierte viele Jahre sehr gut. Mit ihm fuhr ich seit 1999 Friederike – mit schriftlicher Genehmigung der Polizei: vor mir sitzend, sich am unteren Ende der Spiegelarme festhaltend und vorschriftsmäßig behelmt – in den Kindergarten und später in die Klostergrundschule, was ich toll fand, sie aber weniger, wie sich später herausstellte. Es war ihr damals peinlich, als Einzige von ihrem Vater auf einem Motorroller in den Kindergarten und zur Schule gebracht zu werden.
Auch diesem Roller war keine allzu lange Zukunft beschert: Aufgrund der engen Verhältnisse am Hinterhaus stand der Roller nachts neben unserem kleinen Garten am Fußweg zwischen Roon- und Wertherstraße. Hier ist er von unbekannt gebliebenen Idioten zertreten und auf diese Weise vollständig zerstört worden – unfassbar eigentlich. Anfang 2005 jedenfalls war der Roller Schrott. Er wurde am 14. Januar 2005 abgemeldet und ist im März des Jahres in dieser Form in die Brandenburger Straße umgezogen, wo ihn Klaus Fulland, damals noch mit seinem Zweiradgeschäft in Bielefeld-Brackwede und nicht wie heute in Gütersloh und Verl ansässig, gegen ein geringes Entgelt „zum Ausschlachten“ abgeholt hat.
Daelim Otello
Noch im gleichen Jahr gab es einen Nachfolger: In der Häuserzeile vor dem früheren Marktkauf an der Artur-Ladebeck-Straße, dort, wo heute das Forschungsgebäude der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG steht, befand sich die Scooter Station Fenn und Köpcke(16) und hier entdeckte ich im April 2005 nach dem Einkauf einen zwar hässlichen, jedoch preiswerten Daelim-Otello-Roller, dessen Name mit Giuseppe Verdis Oper oder William Shakespeares Schauspiel (hier mit ‚h‘ geschrieben) rein gar nichts zu tun hat, – made in Südkorea, ebenfalls mit 125 Kubikzentimeter-Viertaktmotor, schmutziggoldmetallicfarben, erstzugelassen im Juli 1999 mit dem Kennzeichen BI HF 58. Seine insbesondere farbliche Hässlichkeit war für mich jedoch so enorm, dass ich diesen Roller trotz aller finanziellen Belastungen durch den Umzug ins neue Haus in der Brandenburger Straße schon am 4. Mai 2006 gegen einen optisch verbesserten Nachfolger eintauschen konnte: gegen einen nunmehr dunkelblauen Daelim-Otello-Motorroller für 1.999 Euro abzüglich den Daelim Otello in Gold (= 799 Euro), also für 1.200 Euro samt dem Kennzeichen BI AB 76. Dieser Roller wurde neben den Autos für mehrere Jahre zum sommerlichen Alltagsgefährt; er war nichts Besonderes, jedoch zweiradmäßig schön bei gutem Wetter.
Vespa Super 300 GTS i.e.
2013/2014 begann dann die neue Vespa-Zeit! Während eines Besuchs bei Zweirad Holtkämper am Bielefelder Kesselbrink Ende 2013 erkundigte ich mich nach einer 125er-Vespa wie beispielsweise die PX E 125 Lusso – eine gute, alte Vespa, sozusagen wie früher, nur etwas größer und moderner, mit mehr Kubik und viel schneller als seinerzeit. Friedrich Holtkämper meinte, ich solle mir doch mal die neu auf den Markt gekommene Vespa Super 300 GTS i.e. mit 278 Kubikzentimeter und 22 PS ansehen, die er in seinem Ausstellungsraum stehen habe, „die schnellste und größte Vespa seit jeher“. Dann war’s einmal mehr um mich geschehen! In vergleichsweise kurzer Zeit habe ich bei Frank Wieand von der Fahrschule Schütz & Wieand in Bielefeld-Heepen den Führerschein für die Klasse A2 gemacht und die Prüfung am 11. April 2014 bestanden. Frank hatte mich schon zu dieser Zeit wiederholt gefragt, warum ich denn Roller und nicht ein richtiges Motorrad fahren wolle: eben wegen der alten Vespa-Erinnerungen – und am 16. April 2014 habe ich die schwarze Vespa Super 300 GTS i.e. für sagenhafte und eigentlich viel zu teure 5.390 Euro bei Friedrich erworben, der den Daelim-Roller übernommen und später über eBay nach Norddeutschland verkauft hat.
Diese Vespa ist so anzugstark und schnell, dass Friedrichs jung-dynamischer Mitarbeiter zu Beginn der ersten Probefahrt beinahe gestürzt wäre. Und sie fährt und fährt und fährt .... technisch und optisch einwandfrei – bis heute – und ist mehrmals nahezu mängelfrei durch die Hauptuntersuchung gekommen. Bedauerlicherweise hat Friedrich sein Zweiradgeschäft bald nach meinem Vespa-Kauf geschlossen,(17) sodass es in Bielefeld keinen Vespa-Vertragshändler mehr gibt. Aber es gibt eine Alternative, auf die mich Werkstattmeister Thomas Lahmann von Toyota Weller an der Eckendorfer Straße aufmerksam machte, als ich ihn wegen einer defekten Auspuffdichtung an der Vespa danach befragte: Thorsten Zeitvogel von Motorrad König in der Feldstraße 111. Warum das von besonderer Bedeutung ist, wird im Nachfolgenden vielfach klar.
MZ ES 150, Simson KR51/2 (Schwalbe)
Nach meiner knapp achtjährigen Zeit als Vizepräsident für Studium und Lehre der FH Bielefeld (heute: Hochschule Bielefeld) hatte ich im Sommersemester 2016 ein Forschungsfreisemester, das ich weitgehend in der Alten Ziegelei Westeregeln(18) verbracht habe, um mich dem Technikmuseum und verschiedenen Publikationen zu widmen. Während dieser Zeit kam ich mit Ziegeleinachbar Mario Stamsky ins Gespräch: über die Ziegelei, das Wirken seines vor 30 Jahren verstorbenen Vaters Paul Stamsky als Ziegeleibetriebsleiter von 1961 bis 1986, seine DDR-Kindheit und -Jugend im Zieglerhaus, das heutige Leben in Westeregeln – und das Motorradfahren mit DDR-Zweitaktern. Im Sommer 2016 besuchte ich ihn in seiner Heimwerkerwerkstatt und er zeigte mir einen Berg alter, verwitterter und rostiger Motorradteile.
„Willste haben?“, fragte er. Was das denn sei, erwiderte ich. „Eine MZ ES 150“, sagte Mario. Das sagte mir damals gar nichts, aber bekanntlich hilft ja Recherche: Es handelte sich um die Teile eines durchaus weithin bekannten und bedeutenden DDR-Motorrads.(19) Was der Neuaufbau und die Sanierung wohl kosten könnten, fragte ich den Egelner Allround-Schrauber Matthias ‚Matze‘ Hund, Inhaber der Intertechnik Hartmut Beyer. Handelsvermittlung von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten. „Geschätzt 1.000 Euro“, sagte er; es wurde ein Vielfaches. Was Mario dafür haben wolle, war die nächste Frage. „100 Euro“, sagte Mario, und gesagt, getan: Am 2. Juli 2016 erwarb ich die MZ ES 150 Trophy aus dem VEB Motorradwerk Zschopau, Baujahr 1968, Fahrgestellnummer 5671728, Erstzulassung am 1. August 1968, mit potenziell 143 Kubikzentimetern Hubraum und zehn PS in vergleichsweise verrotteten Einzelteilen.
Den alten Sattel brachte ich zum Sattler Eberhardt Hauer in Altenweddingen (Sülzetal), der ihn in vielen Monaten ebenso vortrefflich wie preiswert instandgesetzt hat, Kabel und andere Bauteile lagerte ich im Zieglerhaus, der Motor kam zur Überarbeitung zu Motorradfreund und Ziegeleinachbar Markus Hilgenfeld. Die Metall- und Gussteile transportierten wir in Matzes Werkstatt, in der ich sie in den folgenden Wochen zumeist vormittags gesandstrahlt habe – inklusive großartiger Gespräche und Einladungen zum gemeinsamen, von Matzes Vater für alle Anwesenden gekochten Mittagessen in der kleinen Werkstattküche.
Dann waren die Motorradteile fertig für die Lackierung bei Raik Gruber in Westeregeln und der Sommer vorbei. Durch Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Matze und Raik, wesentlich über die nicht mit mir geklärte Frage, wer was wann in welcher Höhe an wen bezahlt, ruhte das Sanierungsprojekt über viele Monate. Als es hier in keiner Weise weiterging, erinnerte ich mich an Thorsten Zeitvogel und fragte ihn, ob er mir helfen könne, das alte Motorrad wieder zusammenzusetzen. Seine Antwort: „Na klar, kein Thema.“ Also habe ich zwischen Matze und Raik vermittelt, alle erledigten Lackierarbeiten bezahlt und sämtliche Motorradteile nach Bielefeld in Thorstens Werkstatt gebracht, in der seit Frühjahr 2018 zumeist samstagsvormittags geschraubt wurde, bis sich aus den Einzelteilen und den bei Motorradmeister Milz in Pirna via Internet erworbenen MZ-Nachbauteilen Schritt für Schritt ein wirkliches Motorrad entwickelte.
Die alte 6-Volt-Technik mit ihrem undurchschaubaren, wenn auch neuen Kabelbaum entpuppte sich jedoch als Teufelswerk, das erst durch Detlef Grau in der Werkstatt des Autohauses Schreiber in Westeregeln zu einer funktionstüchtigen elektrischen Einheit zusammengefügt werden konnte. Also kam die MZ im Herbst 2018 wieder nach Westeregeln zurück.
Was aber einstweilen tun in Bielefeld? Nichts mehr zu schrauben! Das ging ja gar nicht, das musste sich ändern und ich begann, im Internet nach einer halbwegs intakten Schwalbe zu suchen, dem DDR-Kultmoped. Ich fand das Gesuchte relativ schnell in Lüdenscheid zu einem halbwegs vertretbaren Preis von 1.450 Euro: eine Simson KR51/2, ein Kleinroller aus dem VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl, Erstzulassung am 5. April 1981 im thüringischen Sömmerda, 49,8 Kubikzentimeter Hubraum, 3,7 PS – ein fahrtüchtiges Moped in schlechtem Zustand, das, nachdem ich es mit dem alten Sprinter von Franz nach Bielefeld transportiert hatte, am 15. Oktober 2018 erstmals unter meinem Namen ein Versicherungskennzeichen bekam, was jedoch eigentlich sinnlos war, weil ich die Schwalbe in Thorstens Werkstatt auseinandergenommen, die lackierbaren Teile zu Raik Gruber nach Westeregeln geschickt und den Rest Schritt für Schritt mit Thorstens Hilfe saniert habe. Ergebnis: eine schicke und wie neu aussehende Schwalbe in Bielefeld!
Einstweilen wurde die MZ ES 150 von Benny, den ich bereits aus Matzes Werkstatt kannte und der inzwischen im Westeregelner Autohaus Schreiber arbeitete, sowie Werkstattmeister Detlef Grau, selbst leidenschaftlicher Fan und Besitzer von DDR-Fahrzeugen, final zusammengesetzt. Detlef gelang es, für das fertiggestellte Motorrad eine Betriebserlaubnis von der Dekra zu bekommen und es am 16. April 2019 bei der Straßenverkehrsbehörde Bernburg mit dem Kennzeichen SLK W 673 zuzulassen. Nach dem Rücktransport von Westeregeln nach Bielefeld konnte die MZ ES 150 am 3. Mai 2019 in der Bielefelder Zulassungsstelle in der Paulusstraße mit dem Kennzeichen BI B 868 zugelassen werden – das ‚B‘ wieder für ‚Beaugrand‘ und die Ziffern für die Erstzulassung im August 1968.
Zweiradfahren à la carte war seitdem möglich – mit Vespa, MZ oder Schwalbe, wenn auch mit der MZ nicht immer zuverlässig, obwohl sie am 22. Mai 2021 noch anstandslos die Hauptuntersuchung bestanden hatte. Am 27. Juni 2021 beispielsweise blieb das Motorrad an der Artur-Ladebeck-Straße 57 einfach mal stehen, aus bis heute ungeklärtem Grund. „Spannungsverlust“, diagnostizierte der ACE-Abschleppdienstmitarbeiter, was jedoch zu beheben war.
Die MZ, so war bald der Plan, sollte künftig in der Magdeburger Börde und in Westeregeln fahren, die beiden Roller – Vespa und Schwalbe – in Bielefeld. Also folgte wieder mal ein MZ-Transport von Bielefeld nach Westeregeln, wo das Motorrad dann zu meiner und zur Freude vieler insbesondere ostdeutscher Verkehrsteilnehmer während der Sommermonate fuhr, denn die MZ ES 150 ist in Ostdeutschland viel bekannter als in Westdeutschland, weil sie während der DDR-Zeit zur allgemeinen Mobilität gehörte und nicht, wie beispielsweise die MZ TS 250 oder ETZ 250, in den 1970er- und 1980er-Jahren durch Neckermann oder Quelle in die Bundesrepublik exportiert worden ist.
Einstweilen ging es in Bielefeld in Thorstens Werkstatt, insbesondere an den Samstagen und immer nur vormittags, wenn Arminia zu Hause spielt, immer wieder um Motorräder – verbunden mit dem Austausch von vielen blöden Sprüchen, absurden Reimen, kirchlichen Liedern und fröhlichen Lästereien. Eines Tages stand ein neues altes Motorrad in der Werkstatt, wie sich herausstellte, eine Yamaha XV 535 aus der Virago-Reihe, 44 PS, 535 Kubikzentimeter, Baujahr 1996 – also ein Chopper, den man mag oder eben nicht. Ob ich den mal fahren wolle, fragte Thorsten.
Die Journalistin Undine Westphal schrieb zum Thema Chopper 2007: „Die motorradfahrende Menschheit teilt sich meines Erachtens in zwei Gruppen auf. Die erste Gruppe umfasst die Chopperfahrer, die zweite Gruppe die Chopperhasser. Warum das so ist, weiß keiner so genau. Ich gehöre auf jeden Fall zu denen, die sie lieben. ... Die Virago ist das erste Motorrad, auf dem ich mich pudelwohl fühle. Ich bin 1,74 m, das passt perfekt. Mein Mann mit seinen 1,84 m sieht allerdings absolut albern auf ihr aus (wer fährt schon gerne mit den Knien an den Ohren?), außerdem braucht er die Maschine nur anzusehen und bekommt Rückenschmerzen.“(20) Das Letztgenannte gilt auch für mich. Am Ende der Probefahrt rund um Bielefeld – inklusive Motorradvorführung zu Hause – musste Thorsten mir vom Motorrad helfen. Nein, danke, das nehmen wir nicht.
Zurück in Westeregeln: Im Vergleich zur Yamaha XV 535 ist Fahren mit der MZ ES 150 bequem und komfortabel, es ist liebevolle Handarbeit und wunderschön! Bis sie fährt, dauert es zwar etwas: Motorrad aufbocken, Benzinhahn und Choke öffnen, Zündung anschalten (möglichst bei ausgeschaltetem Licht), Kickstarter in der richtigen Getriebeposition einrasten und Kickstarter runtertreten, gegebenenfalls mehrmals. Dann aber ertönt ein etwas klapperndes Zweitaktgeknatter in weißdunstiger Abgaswolke und wenn der Motor etwas runder und sauber läuft, kann der Choke geschlossen werden und die Fahrt losgehen: mit DDR-Helmnachbau und leichter Kleidung, es ist ja Sommer und der Magdeburger-Börde-Wind weht bei ca. 100 km/h um die Ohren – oder auch mal wieder nicht: Mein Westeregelner Freund Karl-Heinz Schreiber, der am 5. Januar 2022 unerwartet verstorben ist, hatte mich noch im Sommer 2021 von der B 181 bei Egeln gerettet, wo ich liegengeblieben war. Er half, den Motor wieder zu starten, und hat mich dafür angeschoben – so stark, dass er, als der Motor wieder ansprang, selbst im Straßengraben landete.
Einige Zeit später, im Frühjahr 2022, begann aus zunächst ungeklärter Ursache das Hinterrad am Rahmen zu schleifen. Detlef Grau, den ich nach dem Grund dafür gefragt hatte, stellte am 19. April 2022 fest, dass sich der alte Rahmen aus DDR-Guss(21) offenbar wegen der neuen Druckverhältnisse zwischen Motor, Kette und Hinterrad verzogen hatte und so krumm war, dass das Motorrad im Schnee zwei parallele Spuren hinterlassen hätte. Das war das Ende der MZ-ES-150-Fahrten. Am 10. August 2022 habe ich das Motorrad abgemeldet und wegen der langen vergeblichen Suche nach einem Ersatzrahmen stand es monate-, fast jahrelang im Westeregelner Wohnzimmer als technische Dekoration.
Die Schwalbe wurde nunmehr das Ostzweirad und kam zurück nach Westeregeln, wo sie seitdem fährt – wenn auch mit anfänglichen Schwierigkeiten: Nachdem motortechnisch und optisch alles wieder an seinem Platz war und auch die wenige vorhandene Elektrik gut funktionierte, haperte es nur noch beim Anlassen des kalten Motors. Choke und Gasgriff machten nicht richtig mit – verhakt, verklemmt, verrostet, es bleibt unklar. Bei einer der ersten Probefahrten auf dem Gelände der Alten Ziegelei Westeregeln – bei regennassem Kopfsteinpflaster, der Gasgriff auf einmal nicht mehr zurückdrehen, der Motor heulte zum Herzzerreißen auf, zumal ich die Kupplung gezogen hatte. In der Kurve vor dem Haus 1909 schien die Schwalbe dennoch schneller und schneller zu werden; Erinnerungen an den winterlichen Yamaha-Beluga-Sturz zischten blitzartig durch meinen Kopf. Im Bereich der Ziegeleieinfahrt habe ich dann versucht, mit der rechten Hand Gasgriff und Lenkrad haltend, mit der linken Hand den Zündschlüssel auf dem Scheinwerfer zu erreichen, um den Motor abzuschalten, und dabei rutschte das Vorderrad auf dem nassen Pflaster zur rechten Seite weg, die Schwalbe und ich stürzten zu Boden! Durch einen beherzten Ruck am Lenkrad und ein nahezu elegantes Abgleiten auf den Boden gelang es mir in Rückenlage, die Schwalbe mit meinem Körper aufzufangen: kein Kratzer am Lack und keine Beule an der Schwalbe, aber durch die linke Beifahrerfußraste des Kleinrollers ein Loch in meinem linken Schienbein. Die Wunde ist ohne ärztliche Versorgung gut verheilt, aber die Narbe ist nach wie vor deutlich sichtbar. Zweiradfahren erfordert Opfer. Aber auch hier ist jetzt alles gut. Bei geladener Batterie springt der kleine Motor freudig an und nach einigen Minuten schnurrt die Schwalbe davon, was Friederike und Jan im April 2023 persönlich in Augenschein nehmen konnten.
Im Mai 2023 gelang es mir schließlich, bei der AWO Oldtimer GmbH(22) im sächsischen Werdau einen gut erhaltenen Original-MZ-ES-Rahmen zu bekommen, den Inhaber Patrice Liechtenstein für mich bei Freunden beschafft hatte. Ich habe den Rahmen dort abgeholt und zu Raik in seine Westeregelner Lackiererei gebracht; Raik hat den Rahmen bis August 2023 wieder wie neu gemacht.
Die nicht mehr fahrtüchtige MZ ES 150 habe ich im Sommer 2024 zurück nach Bielefeld transportiert und in Thorstens Werkstatt auseinandergenommen, den neuen Rahmen und die Einzelteile dort gelagert, bis ich sie Mitte Januar 2025 nach Hause geholt habe, weil Conny und Thorsten Zeitvogel ihre Motorrad-König-Werkstatt wegen ebenso sonderbarer wie kostspieliger Schulentwicklungspläne der Stadt Bielefeld im ehemaligen Seidensticker-Areal an der Herforder Straße aus der Feldstraße in die Ahmser Straße nach Bad Salzuflen verlegen mussten. In der häuslichen Kellerwerkstatt begann Anfang Februar 2025 noch einmal die Neumontage der alten MZ ES 150, was noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.
BMW R90S
Keine MZ mehr da, sehr traurig. Immerhin, es gab in Bielefeld ja noch die Vespa. Und wie gut, dass es Thorsten gibt! Ende Juli 2022 meldete er sich bei mir mit dem lapidaren Satz: „Ich habe da mal was vorbereitet.“ Also auf in die Feldstraße. Und was steht da? Eine B – M – W. Die BMW! Goldgelb funkelnd, in der Sonne glänzend. Groß. Klassisch. Bestens erhalten. Hervorragend saniert. Ob ich die haben wolle. Mamma mia, was für eine Frage! Von wann und wie teuer die sei? Aus dem Jahr 1983, 6.000 Euro. Kleine Probefahrt über den Hof. Ich müsse darüber nachdenken. Nächster Tag, Feldstraße. Ich solle den Besitzer mal anrufen. Größere Probefahrt nach Werther zu Beate Rennen-Allhoff und Peter Allhoff und nach Hause zu Georgia. Erstes Zittern. Der Besitzer erwarte meinen Anruf, hieß es dann wieder in der Feldstraße. Ich setzte mich also auf die BMW und rief ihn an: ein komischer Kauz, das muss man sagen. Ob ich noch Bedenkzeit haben könne, fragte ich ihn. „Quatsch!“, blaffte er ins Telefon. Ich solle sie nehmen oder es lassen. Dann habe ich allen Ernstes gesagt: „Okay, ich nehme sie.“ Telefonat beendet, Motorrad gekauft, großes Zittern. Thorsten musste mir vom in dem Moment allzu schweren Motorrad helfen, wenn auch aus gänzlich anderen Gründen als bei dem Chopper von Yamaha ...
Also dann: Seit Anfang August 2022 bin ich im Besitz eines neuen alten BMW-Motorrads und am 9. August 2022 habe ich einen weiteren Ausbildungsvertrag zum Erwerb der Führerscheinklasse A mit Frank Wieand, wieder von der Fahrschule Schütz & Wieand, abgeschlossen, um alsbald meine BMW,(23) Erstzulassung am 2. August 1983, mit dem in der Zulassungsstelle noch verfügbaren Wunschkennzeichen BI B 195 zu fahren, die am 10. August 2022 anstelle der MZ ES 150 auf meinen Namen zugelassen wurde – wieder mit dem ‚B‘ für ‚Beaugrand‘ und der Nummer 195 als verkürzte Hommage an Friederikes Geburtsjahr 1995. In der Hitze des Sommers 2022 habe ich bei Frank noch einmal einige Fahrstunden genommen – bei über 40 Grad in geliehener und dann schweißnasser Fahrschulmotorradledermontur (igitt!) auf dem Platz vor der Bielefelder Radrennbahn! – und am 10. November 2022 die Klasse-A-Fahrprüfung bestanden. Ab jetzt große Motorradzeit, wenn auch nur für zunächst kurze Zeit, weil der Winter nahte.
Einstweilen hatte ich mich literarisch-theoretisch und in Thorstens Werkstatt praktisch mit dem Motorrad bekannt gemacht sowie noch Fehlendes wie die Sitzhalterung, den Seitenständer, eine starke Batterie, die erforderlichen Schlüssel, Ersatz für den wackeligen Drehzahlmesser(24) und die nicht mehr funktionstüchtige Uhr sowie einen neuen Helm, schließlich noch eine eigene Motorradhose und -jacke im Sicherheitsstandard nebst neuem Helm mit integriertem Bluetooth-Headset besorgt – und dann konnten zunächst die Stadtfahrten losgehen, gleichgültig, wie kalt es war, es musste nur trocken sein. Anfang 2023 kamen noch die beiden schwarzen Seitenkoffer hinzu: Nachbauten im Original-BMW-Design von der Firma Siebenrock aus Wendlingen am Neckar.
Wohl ausgerüstet konnte jetzt das Motorradfahren mit schwerem Gerät losgehen. Ausgangspunkt war zunächst monatelang Thorstens Garage in der Feldstraße, in der er mir freundlicherweise einen Stellplatz zur Verfügung gestellt hatte, da zu Hause kein Platz für Vespa, BMW, Fiat und Hyundai war.
Zum Thema Parkraum: Seitdem wir seit Mai 2023 zunächst über Thorsten und seit März 2025 über Nachbar Peter Apenbrink einen Tiefgaragenparkplatz unter dem Ostmannturm haben, stehen je nach Wetterlage und Jahreszeit entweder der Fiat zusammen mit der BMW und der Vespa oder der Hyundai zusammen mit der Vespa in unserer Garage bzw. der Tiefgarage.
Das Fahren mit diesem Motorrad ist unglaublich, wenn man von einigen Missgeschicken absieht, die man ebenfalls nicht glauben möchte. Bei der ersten Fahrt von Bielefeld nach Lemgo flog fast die MRA-Verkleidungsscheibe des Windschilds weg.(25) Bei einer anderen Fahrt durch Bielefeld ging unvermittelt der Anlasser an und der Motor ließ sich über die Zündung nicht ausschalten, was schließlich nur über ein Abwürgen gelang; der ACE-Abschleppdienst brachte die BMW und mich zurück in die Werkstatt. Hier baute Thorsten später eine elektrische Unterbrechung zwischen Startschalter und Anlasser ein.
Bei einer Rückfahrt aus dem Ruhrgebiet zurück nach Bielefeld löste sich kurz hinter Gütersloh der rechte Seitenkoffer und rutschte über die Autobahn – ein misslicher Umstand, auf den mich ein freundlich winkender Autofahrer beim Überholen hingewiesen hatte und bei dem es glücklicherweise zu keinem weiteren Unfall kam – und dann auf dem Seitenstreifen dem Autobahnverkehr entgegen, mit viel Licht und nach links blinkend zurück (eine Warnblinkanlage gibt es ja nicht), um den Koffer wieder mitzunehmen. Und gegen starken Batterieleistungsschwund im Stand helfen immer mal wieder Ladegerät, Booster oder der Einbau eines neuen Spannungsreglers ... aber egal.
Motorradfahren macht Freude und ist außerdem gesund. „Ein Motorrad zu besitzen, verbessert das körperliche Wohlbefinden“ – eine Aussage, der ich voll und ganz zustimme, und die offenbar auch wissenschaftlich belegt ist: „Der Körper schüttet bei jedem Beschleunigen große Mengen an Adrenalin und anderen Hormonen aus, die positive Reize im Gehirn auslösen. Beim Motorradfahren wird im Gegensatz zum Autofahren der gesamte Körper eingesetzt. Auf diese Weise wird das gesamte Herz-Kreislauf-System aktiviert, was gesundheitlich ebenfalls vorteilhaft ist. Das Motorradfahren erfordert zudem große und kontinuierliche Aufmerksamkeit, da Motorradfahrer auf der Straße kaum geschützt sind. Vorsichtiges Fahren ist also eine Notwendigkeit, was wiederum die Reflexe trainiert – ganz zu schweigen vom Gleichgewichtssinn, der hier besonders entwickelt sein muss.“(26)
“When the metal is hot, and the engine is hungry
And we're all about to see the light” (Meat Loaf, Bat Out of Hell, 1977)
„Die BMW ist übrigens ein ganz ausgezeichnetes Motorrad.“ – „Hoffentlich ist bald Motorradwetter.“ – „Habe ich schon gesagt, dass mir die BMW ganz außerordentlich gut gefällt?“ Sätze wie diese können Georgia, Friederike, Jan, Conny, Thorsten und viele andere schon seit längerer Zeit nicht mehr hören.
Warum, das ist die Frage, entfesselt dieses Motorrad bei mir eine so große Begeisterung, dass mir sogar dieses Kunstprojekt eingefallen ist, bei dem schließlich eine Vielzahl von Künstlerinnen und Künstlern mitmacht? „Dieses Gefühl“, schrieb ein Motorradfan bei Instagram, „kann man einfach nicht richtig beschreiben. Es ist einfach unbeschreiblich. Jemand, der noch nie Motorrad gefahren ist, wird das niemals verstehen.“
Ich kann das nachvollziehen und versuche eine Beschreibung, stelle aber eine kurze Reflexion über den Sinn beziehungsweise Unsinn des gesamten Engagements voran: Darf man „in Zeiten wie diesen – Krieg, Klima, Katastrophen – zeitgleich vier motorisierte Zweiräder besitzen?“ „Nein!“, lautete 2023 wie aus einem Munde die Antwort einer Gruppe woker Gestaltungsstudierender der Hochschule Bielefeld. Die an diesem Projekt beteiligte Künstlerin und Berliner Aktivistin Ines Doleschal brachte das im Februar 2025 noch einmal anders auf den Punkt: „Das ist wirklich ein SEHR ungewöhnlicher Wunsch! Den du hier an eine richtest, die ja ganz und gar abgeneigt ist gegenüber dem Individualkraftverkehr und nichts so zukünftig findet, wie das Mobilsein mit Bahn, Bus und Fahrrad! ... Nach einer ersten inneren Ablehnung gegenüber allem, was von fossilem Brennstoff genährt wird und ganz klischeehaft dem klassischen Männlichkeitsbild entspricht (das musste ich jetzt auch noch gesagt haben! – und wie es Elisabeth Masé ins Bild gesetzt hat, A.B. –), denke ich noch mal wohlwollend über Deine Frage nach. Weil Du es bist! Ich kann mir vorstellen, eine kleine Arbeit zu machen, die sehr konstruktivistisch ist und kaum noch ein Motorrad erkennen lässt, das wäre o.k. für mich. Aber der Aufhänger ist eher, dass ich Dich mag und mich gerne als eine mit Dir befreundete Künstlerin bezeichnen lasse, als dass ich Deinem Motorrad huldige. Das muss dir bewusst sein ...!“(27)
Das ist und war mir bewusst, als ich Ines und die anderen zum Motorradprojekt einlud, und zwar aufgrund des Umstands, dass diese vier Motorräder schon ohne mein aktives Zutun bereits produziert gewesen sind, ich sie in tatsächlich liebevoller Detailarbeit über jeweils längere Zeiträume saniert, rekultiviert und in einen technischen Zustand versetzt habe, dass die Motoren zumeist nahezu geruchsfrei laufen, und ich die Maschinen jeweils nur gelegentlich an zwei verschiedenen Orten fahre und zudem niemals gleichzeitig fahren kann.
Darüber hinaus fasziniert mich ihre zum Teil einfache Technik in ihrer jeweils eigenen ästhetischen Form. Die MZ ES 150 aus dem Jahr 1968 und die Schwalbe aus dem Jahr 1981 entsprechen in besonderer Weise den Maßstäben, die in der DDR für die „sozialistische Formgestaltung“ zwischen 1949 und 1989 galten, die sich durch Funktionalität, Langlebigkeit aufgrund von Rohstoffmangel und Planwirtschaft und die Reduktion auf das Wesentliche auszeichneten.(28) Die Stilistik der Vespa und die der BMW entsprechen ihrerseits Kriterien, die der in der Bundesrepublik 1953 gegründete Rat für Formgebung formuliert hat – eine bis heute bestehende Stiftung, die deutsches Design mit starkem Bezug auf das Bauhaus zu einer internationalen Marke entwickelt hat.(29) Die technische Gestalt der vier Zweiräder wird damit gewissermaßen zur Manifestation ihrer eigenen Funktion, die auf mich einen unwiderstehlichen ästhetischen Reiz ausübt. Technik und die sie umgebende Form können auch Schönheit sein – und das ist ebenfalls ein Gefühl, siehe oben.(30)
Die genannten Gefühle benötigen, wie man beispielsweise anhand dieses Textes nachvollziehen kann, zunächst eine biografische Komponente: gewachsenes Interesse durch eigene Erlebnisse, vielleicht sogar eine Leidenschaft für Motoren, für Technisches, für den Geruch von Benzin, Öl und alledem, was damit zu tun hat. Das gilt durchaus auch für Autos, aber es ist bei motorisierten Zweirädern gänzlich anders: direkter, ursprünglicher, faszinierender, freier – das hat allerdings mit den von Martin Perscheid in seinem Schrauberbuch angedeuteten Naturgefühlen nichts zu tun: „Spürst Du die Natur, Susanne?“
Es sind Emotionen, die bei mir durch die ersten Mofafahrten als Schüler und die Vespa-Fahrten auf Mallorca ausgelöst wurden und seitdem nie erloschen sind. Je nach Zeit und Kontext sind sie dann immer wieder neu und anders geweckt worden. Durch Musik, etwa durch großartige Hits wie Love Is A Drug auf dem Siren-Album von Roxy Music oder I‘m In Love With My Car auf dem Album A Night at the Opera von Queen – das mit Bohemian Rhapsody. Beide stehen im Kontext der ersten Vespa-Erfahrungen 1975, später kam die oben bereits genannte LP Bat Out Of Hell von Meat Loaf (1977) hinzu.
Der Unterschied zwischen der ersten eigenen Vespa mit ihren überschaubaren 50 Kubikzentimeter und all den damit verbundenen Geschichten zu ersten neuen Geschwindigkeitserfahrungen durch Motorroller mit 125 Kubikzentimeter war schon enorm. Doch geradezu überwältigend war der Wechsel von einer tendenziell leichten Maschine wie einem Daelim-Roller, bei dem wenig Metall, aber viel Kunststoff verbaut ist, zu einer sehr viel stärkeren, schnelleren und schwereren Vespa Super 300 GTS aus Stahl.
Das Fahren mit einem selbst sanierten historischen Motorrad wie der MZ ES 150 mit 4-Gang-Schaltgetriebe ist, selbst wenn die Proportionen zwischen Motorrad- und Fahrergröße in meinem Fall nicht ganz stimmig sind, ein äußerst schönes Zweitakterlebnis. Fast ebenso flott weg ging‘s mit der 45 Jahre alten und wie neu restaurierten Schwalbe, mit der es (legal, so steht es im deutsch-deutschen Einigungsvertrag vom 31. August 1990) bauartbedingt möglich ist, 60 km/h zu fahren, obwohl sie nur 50 Kubikzentimeter und wenige PS hat. Dies im Unterschied zu den Solex-Eskapaden Bert Pinternagels – und das lässt Freude aufkommen.
Doch mit einer wirklich schweren Maschine wie der BMW R90S, die bei einem Radstand von knapp anderthalb Metern ein Leergewicht von 235 Kilogramm hat, sieht das alles noch mal ganz anders aus – nicht nur optisch, wie es der Designer Hans A. Muth in den 1970er-Jahren beabsichtigt hatte, sondern auch technisch, ästhetisch und eben auch emotional. Muth, der 1971 die von ihm so genannte Flyline des Motorrads gestaltet hat, wollte ein dynamisches Motorrad, das schon im Stand ein „vorwärts bewegendes Image vermitteln sollte.“(31) Das ist ihm gelungen.
Michael Pfeiffer, Motorradfan, Journalist der Zeitschrift Motorrad und Herausgeber einer Reihe von Büchern über Motorräder, hat darüber hinaus das Fahrerlebnis mit einer BMW R90S 2009 gleichwohl treffend zusammengefasst: „BMW konnte tatsächlich einmal schlanke, reduzierte Maschinen bauen. Klar und weich die Linie, beinahe schon zierlich der Motor, Gabel und zwei Federbeine, das tut es eigentlich auch. ... Satt blubbert der von viel Schwungmasse beseelte Motor im Standgas vor sich hin, blubblubblubb, das kann man in unseren Zeiten auch nicht für viel Geld beim BMW-Dealer kaufen. ... Da hebt sich die alte Dame aus den Federn, als ob sie dem Fahrer wegen der gnadenlosen Beschleunigung mehr Übersicht verschaffen wollte.(32) ... Fahrerisch muss man sich auf der BMW an die alten Zeiten zurückerinnern. An jene Tage, an denen Motoren noch Schwungmasse und Fahrwerke noch Eigenleben hatten. ... Und immer schön im Fünften. Man muss nicht schalten. Selbst aus tiefsten Drehzahlen schnurrt der Boxer wieder hoch. ... Nur Grobmotoriker am Gasgriff schaffen es, dass der Motor sich verschluckt. Genuss kommt auf. Weil die BMW so unendlich komfortabel gefedert ist. Weil der Boxer so satt brummelt. Weil die Sitzposition so gemütlich ist. ... Sie bügelt nahezu alles glatt und gleitet neutral selbst über Sträßchen vierter Ordnung, Qualitäten, die man heutzutage meist vermisst. Apropos Qualität: Die Lackierung gelang sensationell. Wie die Schmuckfarbe mit dem silbernen Grund harmoniert, ist schon herrlich. Dazu noch die handgezogenen Zierlinien, was das heute wohl kosten würde?“(33)
Aber darum geht es nicht allein. Wenn man die Maschine vom Haupt- oder Seitenständer genommen, sich auf den Sattel gesetzt, den Benzinhahn geöffnet und den Choke gezogen hat – und dann den Motor startet, ist die Welt schlagartig eine andere. Der Boxer brabbelt brummelnd vor sich hin, das Voltmeter zeigt je nach Drehzahl die erforderlichen zwölf bis 15 Volt elektrischer Spannung an, ruckzuck sieht man auf dem Tacho überhöhte Geschwindigkeiten, der Fahrtwind umweht den Helm – und wenn dann noch die Sonne scheint und sich der blaue Himmel über den tatsächlich blühenden Landschaften zeigt, dann ist wirklich alles gut. Der Ingenieur und Schriftsteller Hans-Joachim Wildner hat dieses Gefühl verblüffend ähnlich beschrieben: Es ist „das Gefühl von Freiheit und Dynamik, von Geschwindigkeit und Beschleunigung. Der Fahrtwind, die spürbare Kraft und der Klang des Motors. Man fühlt sich jung, frei und unsterblich. Wenn es einen gepackt hat, kann man nicht mehr damit aufhören.“(34) Dieses Motorrad zu fahren ist wie ein elektrisierendes Erlebnis guter Kunst und der Klang berührender Bilder in einem. Die BMW-Musik in meinem Kopf beginnt mit dem Blopp beim Aufsetzen des Tonarms und lässt je nach Straßen- und sonstiger Lage das Finale der 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven oder Schlagzeugsolos von Roger Taylor, Jon Hiseman, Curt Cress und Eric Singer ertönen. Um noch ein kulinarisches Bild zu bemühen: Jede Fahrt ist wie eine Leckerei vom Grill oder der Genuss eines zart geschmorten Ochsenbäckchens samt einem eisgekühlten, außen beschlagenen Glas Hefeweizen oder Schorle im Sommer. Selbst die Plattitüde vom Fliegen, nur schöner, gewinnt Konturen.
Es ist all das zusammen und mehr: „Zweimal beherzt am Gasgriff drehen, den ersten Gang einlegen und schon fegt die BMW davon. Noch 30 Sekunden lang kann man den voll beschleunigten Boxer schnarren hören. Gib Gummi, Kuh! Mögest Du Dich noch viele Jahre viel zu sehr aus den Federn heben.“(35)
BMW R90S – das magische Objekt in der Kunst
Diesem magischen Objekt ist dieses Projekt gewidmet, zu dem ich befreundete Künstlerinnen und Künstler eingeladen habe, von denen ich überzeugt bin, dass sie die Zweirad- und BMW-Magie nachvollziehen und ins Bild setzen können. Ihnen habe ich ab Mitte November 2024 das Folgende geschrieben:
„Liebe ... (bzw. Lieber ...),
ich hoffe, es geht Dir und Euch gut!!
Ich wende mich heute mit einer außergewöhnlichen Bitte an Dich, denn ich habe einen Wunsch:
Wie Du weißt, ist das motorisierte Zweiradfahren meine große Leidenschaft: Die restaurierte (derzeit wieder zerlegte) MZ ES 150 von 1968, die Schwalbe von 1981 (flott weg mit 50 ccm und 60 km/h), die 300er Vespa GTS (Baujahr 2013) und die gute alte BMW erfreuen mich immer wieder aufs Neue!
Ich möchte nun gerne ein Motorradkunstbuch veröffentlichen – über meine BMW R90S aus dem Jahr 1983, ein wirklich wunderbares klassisches Motorrad; siehe https://de.wikipedia.org/wiki/BMW_R_90_S (21.11.2024) und das angefügte Foto, das ich in diesem Sommer in der Alten Ziegelei Westeregeln gemacht habe.
In dem Buch sollen die Geschichten mit meiner BMW mit meinen privaten Erlebnissen verbunden werden: Geschichten von früher und Fotos vom Werkeln in der Werkstatt, auch vom Liegenbleiben und Abgeschlepptwerden, vom Dröhnen und Schnurren des großen Motors, von wunderbaren Fahrten, aber auch von Kofferverlusten auf der Autobahn u.a.m.
Wäre es denkbar, von Dir für dieses Projekt eine kleine Zeichnung oder Malerei, ein kleines BMW-R90S-Kunstwerk zu bekommen? Das würde mich sehr freuen!
Diese Frage stelle ich an eine Reihe von befreundeten Künstlerinnen und Künstlern – und wer weiß: Wenn das alles etwas wird, lade ich alsbald zur Ausstellungseröffnung und zur Buchpräsentation (dann im Freien, wenn es wieder wärmer wird🙂).
Ich freue mich, von Dir zu hören oder zu lesen, und hoffe zugleich, dass diese Frage nicht allzu dreist ist!
Herzliche Grüße,
Andreas“
Sofort danach und noch Wochen später trudelten die Antworten ein: 95 Prozent der Angefragten haben begeistert, zum Teil fast euphorisch zugesagt, die Übrigen nannten Zeitmangel, den fehlenden eigenen Motorradbezug oder schlicht und einfach keine Lust als Absagegrund. Das ist völlig in Ordnung.
Viel großartiger und faszinierender jedoch ist, dass es im Frühjahr 2025 nun mehr als 40 Arbeiten zum motorisierten Zweiradthema von Künstlerinnen und Künstlern gibt, deren Kunst und Leben in diesem Band in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt werden, und für die genauso wie für mich das gilt, was Tom Tykwer im März 2025 formuliert hat: „Durch Kunst kannst du dich quasi unterirdisch mit anderen Menschen verbinden. Wenn Künstler und Publikum ein gemeinsames Gefühl oder Verständnis teilen und sich dafür nicht einmal begegnen müssen, kann sich das wie ein Wunder anfühlen.“(36) Genauso ist es.
Anmerkungen:
(1) Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten, Frankfurt am Main 1978, S. 436.
(2) Das Marker Depot wurde im Zuge der Errichtung der Garnison Hamm zwischen 1934 und 1936 gebaut und war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Heeresverpflegungsamt der Wehrmacht. Nach dem Kriegsende wurde es von den britischen Streitkräften übernommen, erheblich vergrößert und diente seitdem als Material- und Ausrüstungslager. Seit den 1970er-Jahren wurden erste Teilbereiche im Norden abgegeben, Mitte der 1980er-Jahre die Militärnutzung komplett aufgegeben, um neue Wohngebiete zu erschließen, die seit 2001 entstanden. Vgl. dazu u.a. die Website https://www.hamm.de/planen-bauen-wohnen/planen-und-entwickeln/projekte-der-stadtentwicklung/projektarchiv/konversion#:~:text=Cromwell%20Barracks,-Die%20Cromwell%20Barracks&text=Die%20Kaserne%20wurde%20nach%20dem,H%C3%BClsenbusch%E2%80%9C%20zug%C3%A4nglich%20ist%2C%20erbaut (8.2.2025).
(3) Heute die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der LWL-Universitätsklinik Hamm, siehe https://www.lwl-uk-hamm.de/de/ (2.2.2025).
(4) Siehe https://www.ketteler.schulnetz.hamm.de/ (14.2.2025).
(5) Siehe ebd., heute Realschule Mark.
(6) Zu ergänzen sind alltägliche psychische und physische elterliche Gewalt hinter der Fassade des schönen Scheins, was hier aber ganz im Sinne der irischen Schriftstellerin und Kolumnistin Caroline O’Donoghue nichts zur Sache tut: „Das Interessanteste an dir ist, was du denkst. Nicht, wo du herkommst; nicht, wo du zur Schule gegangen bist; nicht die rührseligen Geschichten aus deiner Vergangenheit oder die lustigen Anekdoten über wilde Zeiten.“ Caroline O’Donoghue: Was ich gern früher gewusst hätte, in: ZEITmagazin Nr. 11 vom 13.3.2025, S. 46.
(7) Das sind Till Hoheneder, der Klassenkamerad meines jüngsten Bruders Sebastian, und Andreas Obering.
(8) Von Günter Beaugrand siehe beispielsweise Kardinal von Galen – Der Löwe von Münster (1985), Trost der Stille (1989), Ave Maria. Marienandachten für jeden Tag (1989), St. Liborius im Strom der Zeit (1997) oder zusammen mit dem stellvertretenden Liboriusblatt-Chefredakteur Wilfried von Rüden: St. Liborius – Mittler zum Frieden (1986), Maria, breit den Mantel aus: Eine Sammlung von Gebeten, Liedern und Gedichten zur Verehrung der Muttergottes (1987), Einstmals hab ich ein Lied gewußt. Eine Sammlung von Liedern und Gedichten (zwei Bände, 1986 und 1988), Dies ist der heutige Tag. Haec est dies hodierna. 365 Lebensweisheiten (1988) – wahrlich „viel blauer Dunst“, wie er eins seiner Pamphlete (hier gegen Zigarettenkonsum) bereits 1967 nannte, obwohl er selbst qualmte wie ein Schlot.
(9) Denkbar ist, dass es sich um die italienische Version der Vespa 150 GS/3 aus dem Jahr 1960 handelte, die der inzwischen 84-jährige Hans-Dieter Selkmann aus Bünde in der deutschen Version bis heute und damit seit 65 Jahren fährt. Vgl. Neue Westfälische vom 19.3.2025.
(10) Mit der Führerscheinklasse 4 durften früher kleine Krafträder gefahren werden. Der sogenannte Rollerführerschein berechtigte zum Fahren von Kleinkrafträdern mit einem Hubraum von maximal 50 Kubikzentimetern Hubraum und einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Die alte Klasse 4 entspricht heute den Klassen AM, A1, A2 und L. Mit der alten Klasse 5 durfte man darüber hinaus die allseits begehrten Krankenfahrstühle, Arbeitsmaschinen bis 25 km/h, Zugmaschinen bis 32 km/h, mit Anhängern bis 25 km/h fahren. Die alte Führerscheinklasse 3 beinhaltet heute die Klassen B, C1, BE und C1E und ermöglicht das Fahren von Krafträdern mit 125 Kubikzentimetern Hubraum.
(11) Die Vespa 50 Special wurde von 1969 bis 1972 mit 3-Gang-Getriebe (1. Serie) und von 1972 bis 1983 mit 4-Gang-Getriebe (2. Serie) gebaut. Die 1. Serie unterschied sich im Gegensatz zur 2. Serie durch den schräg verlaufenden antiken Schriftzug an der Vorder- und Rückseite und an den 9“- (1. Serie) sowie 10“-Rädern (2. Serie). Diese Vespa ist an dem trapezförmigen Scheinwerfer zu erkennen, der in einen verchromten Messingring eingefasst ist. Darüber hinaus wurde die Hupe erstmals mit einer Kunststoffkaskade abgedeckt.
(12) Dell’Orto, auch DellOrto oder Dellorto, ist ein italienisches Unternehmen, das 1933 von Gaetano Dell‘Orto und seinen Söhnen im norditalienischen Cabiate in der Provinz Como gegründet worden ist, wo es bis heute seinen Sitz hat und inzwischen weltweit Vergaser und Einspritzanlagen für Kraftfahrzeuge herstellt. Dell’Orto war seit den frühen 1960er-Jahren bis in die 1980er-Jahre der größte Anbieter für Motorradvergaser in Europa.
(13) Hier die Legende meiner Autos: 1980–1984: zwei Citroën 2CV4 (hellblau); 1984: Opel Rekord 2000 Coupé (türkis mit schwarzem Plastikdach); 1985: Peugeot 104 (orangerot); 1986–1988: Citroën LN (orangerot); 1988–1991: VW Passat B2 Diesel (silbermetallic); 1991–1995: Fiat Tipo I, Typ 160 (schwarz); 1995–1996: Fiat Tipo II (blau); 1996–1997: Toyota Carina E FLH (I, schwarz); 1997–2002: Toyota Carina E FLH (II, schwarz); 2002–2006: Zweitwagen Seat Marbella (pink); 2002–2005: Toyota Camry XV30 2,4 (schwarz); seit 2006: Zweitwagen Fiat Punto Sole (silbergraumetallic); 2005–2009: Toyota Avensis 2.2 D-4D D-CAT (schwarz); 2009: VW Passat B5 1,9 TDI (silbermetallic); 2009–2012: Citroën C4 Grand Picasso HDi 135 FAP E (schwarz); 2012–2015: Hyundai i40cw 1,7 CRDi Style Automatik Kombi (dunkelgraumetallic); 2015–2017: Toyota Avensis Touring Sports 2.0-D-4D (schwarz); 2017–2020: Auris Touring Sports Hybrid 1,8-l-VT-I Automatik (schwarz); seit 2020 Hyundai i30 1.4 T-GDI YES! Kombi (schwarz).
(14) Vgl. u.a. Websites wie https://www.adac.de/verkehr/rund-um-den-fuehrerschein/ (1.2.2025).
(15) Wer dem gestalterisch-ästhetisch eher mittelmäßigen Roller den völlig unpassenden Namen Beluga verpasst hat – das ist der Name jener wunderbaren Weißwale, die überwiegend in der Arktis und Subarktis leben –, bleibt wohl immer ein Geheimnis der Marketingabteilung der Yamaha Motor Company, Ltd.) in Iwata, Japan.
(16) Michael Fenn/Thorsten Köpke GbR, ehedem in der Artur-Ladebeck-Straße 90 in Bielefeld.
(17) Seit knapp zwei Jahren betreibt er wieder eine kleine Reparaturwerkstatt, siehe http://zweirad-holtkaemper.de/ (15.2.2025).
(18) Zur Ziegelei siehe Andreas Beaugrand (Hg.): Die Alte Ziegelei Westeregeln. Geschichte und Geschichten vom Kalkberg, Oschersleben 2015, und die Website https://museumsziegelei.de/ (26.3.2025).
(19) Vgl. u.a. die Website https://de.wikipedia.org/wiki/MZ_ES_125/150 (16.2.2025).
(20) Undine Westphal: Fahrbericht Yamaha XV 535 Virago, in: bma, heute KRADblatt. DAS norddeutsche Motorradmagazin 11/2007, zitiert nach: https://kradblatt.de/yamaha-xv-535-virago/ (27.2.2025).
(21) Bei dem Material handelt es sich um eine Magnesium-Aluminium-Legierung, die damals ‚Elektron‘ genannt wurde.
(22) Total nette Jungs, insbesondere Patrice Liechtenstein: Danke nochmals! Sie sind hier zu finden: AWO Oldtimer GmbH, Gartenstraße in Werdau, http://www.awo-oldtimer.de (12.2.2025).
(23) Bei dieser Maschine handelt es sich technisch um eine BMW R100S (BMW 247) mit 980 Kubikzentimetern Hubraum und 70 PS, die vom Vorbesitzer umgebaut wurde, die R90S hat ursprünglich 898 Kubikzentimeter Hubraum und 67 PS.
Im technisch-historisch-kulturellen Kontext beziehe ich mich hier auf die nachfolgende Literatur:
Simon de Burton: BMW R90S: Eine Maschine dreht auf, in: https://www.classicdriver.com/de/article/motorr%C3%A4der/bmw-r90s-eine-maschine-dreht-auf vom 18. Februar 2013 (12.2.2025); Werner Brösel: Werner. Oder was?, Kiel 1981; Werner Brösel: Werner. Wer sonst?, Kiel 1983; BMW Motorrad GmbH + Co. (Hg.): Bordbuch R 80, R 100, R 100 CS, R 100 RS, R 100 RT, Berlin 1982; BMW Motorrad GmbH + Co. (Hg.): Behelfs-Katalog R 50/5–R 100 RS, Ausgabe A, Berlin 1977; Ian Falloon: BMW Boxer. Die Zweiventil-Twins 1969–1996, Stuttgart 2016; Jürgen Gaßebner, Alan Cathcart: BMW. Meilensteine der Motorradgeschichte, Stuttgart 2000; Carsten Heil: BMW. Faszination, die bewegt, Köln 2011; Don Morley, Mick Woollett: BMW, Königswinter 1992; Hans A. Muth: Design macht Muth. Ideen, Denkweisen, Projektionen, Oberhaching 2020; Martin Perscheid: Perscheids Schrauberbuch. Das Buch zum Zweirad, Hamburg 2021; Michael Pfeiffer: Art of Classic Bikes. Motorrad-Legenden im Studio, Stuttgart 2018; Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten, Frankfurt am Main 1978 (201534); Hans-Jürgen Schneider: BMW R 45–R 100 RS ab Baujahr 1976. Technik, Wartung, Reparatur, München 1984.
Auch Belletristisches ist auf dem Markt, beispielsweise von Ralf Heinsohn: Falscher Sohn und echte Tochter. Ein Biker-Roman, Plön 2022; Frank Marx: Tödlicher Speed. Motorrad-Krimi, Euskirchen 2009; Ders.: Tödliche Schräglage. Motorrad-Krimi, Euskirchen 2010; Ders.: Tödliche Falle. Motorrad-Krimi, Euskirchen 2012; Ralf Schmidt: Kreuz und Chrom. Kriminalroman, Berlin 2018; Klaus Stickelbroeck: Kickstart, Hillesheim 2023; Wildis Streng: Die letzte Kurve. Kriminalroman, Meßkirch 2020; Hans-Joachim Wildner: Biker Day. Harzkrimi, Duderstadt 2020, u.a.m.
(24) Was offenbar im Allgemeinen erforderlich ist. Motorrad-Redakteur Michael Pfeiffer schrieb dazu: „... der oft sinnloses Zeug signalisierende Drehzahlmesser (sollte) auf den Müll wandern.“ Vgl. Michael Pfeiffer (Hg.): Art of Classic Bikes. Motorrad-Legenden im Studio, Stuttgart 2018. Das Zitat stammt ebenfalls von ihm, veröffentlicht in der Zeitschrift Motorrad vom 22. Mai 2009, zitiert nach: https://www.motorradonline.de/klassiker/finale-bmw-r-90-s-gib-gummi-kuh/ (14.2.2025, im Folgenden zitiert als ‚motorradonline‘).
(25) Das Unternehmen MRA (Motorcycle Racing Accessories) wurde Anfang der 1980er-Jahre von den motorradenthusiastischen Brüdern Johannes und Gerhard Klement in Freiburg im Breisgau gegründet und ist seit 1988 Trendsetter in der Windschutzscheibenherstellung. Seit 2000 hat das Unternehmen seinen Sitz im baden-württembergischen Teningen nördlich von Freiburg.
(26) Demone Rosso: Fünf gute Gründe, warum man ein Motorrad besitzen sollte, in: https://demonerosso.dainese.com vom 31.5.2022 (12.3.2025).
(27) Ines Doleschal in einer E-Mail an mich vom 23. Februar 2025.
(28) Vgl. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Alles nach Plan? Formgestaltung in der DDR, Bonn 2016, S. 28 ff.; Günter Höhne: Das große Lexikon: DDR-Design, Köln 2007; garant Verlag Dirk Halfar (Hg.): DDR-Fahrzeuge. Von AWO bis Wartburg, Renningen 2012, S. 29 f., S. 32. Tatsächlich sind viele Bauteile des VEB Motorradwerks Zschopau für die MZ ES 150 und des VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerks „Ernst Thälmann“ in Suhl für die Schwalbe miteinander kompatibel.
(29) Siehe beispielsweise die jährlichen Designpreispublikationen des Rates für Formgebung sowie die Website https://www.german-design-council.de (20.2.2025).
(30) Empfehlenswert in diesem Kontext: Umberto Eco: Die Geschichte der Schönheit, München 2004.
(31) Siehe dazu aus der Rückschau Hans A. Muth: Design macht Muth. Ideen, Denkweisen, Projektionen, Oberhaching 2020, S. 40–46, hier S. 40. Offenbar hat Muth aber auch schon damals die heute tatsächlich vorhandenen wenigen Schwächen der BMW R90S kritisiert: „Die beiden seitlichen Batterieblenden, zwar formal auf die Flyline abgestimmt, waren für mich in ihrer Befestigungsart ein ständiger Diskussionspunkt. Diese wurden mit zwei gegeneinander verspannten Weckglas-Gummis gehalten. Das widersprach meiner Vorstellung von einer in allen notwendigen Funktionen durchdachten und manuell nachvollziehbaren Qualität. Doch die dazwischen positionierte Batterie, bei deren Entnahme sogar der Rahmen durch Lösen der zwei oberen Schrauben nach hinten abgekippt werden musste, ließ einfach keine andere professionellere Lösung zu.“
Und wo wir gerade beim Meckern sind. Das Folgende schrieb Michael Pfeiffer 2009 über die Bremsen, vorne Scheibe, hinten Trommel: „Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, gar nicht. Weil die BMW nicht wirklich bremst. Sie wird nur ein bisschen schneller langsam. Wer sich diese Bremsanlage ausgedacht hat, gehört heute noch in die Strafecke gestellt. Vom Handhebel führt ein Seilzug zum Hauptbremszylinder unter dem Tank, von dem dann die beiden Bremsleitungen zu den Bremssätteln führen. Typischer Fall des Addierens von Nachteilen zweier Bauarten. Schwergängiger elastischer Seilzug mit teurer Hydraulik. Na ja!“ Vgl. Pfeiffer, in: motorradonline.
(32) Spötter bezeichnen Motorräder der BMW-R-Reihe mit ihrem Vollschwingenfahrwerk noch heute als ‚Gummikuh‘, da sich während des Anfahrens die Hinterradfederung durch den Kardanantrieb hebt; beim Gaswegnehmen tritt der gegenteilige Effekt ein. Das soll an Kühe erinnern, die sich beim Aufstehen üblicherweise mit dem Hinterteil zuerst erheben; wie lustig. Vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Gummikuh (12.2.2025).
(33) Vgl. Pfeiffer, in: motorradonline.
(34) Hans-Joachim Wildner: Biker Day. Harzkrimi, Duderstadt 2020, S. 156. Einige Zeilen später bemüht tatsächlich auch er den Vergleich mit der Schönheit des Fliegens!
(35) S. Fußnote 32.
(36) Tom Tykwer: Was ich gern früher gewusst hätte, in: ZEITmagazin Nr. 12 vom 20.3.2025, S. 50.